Dienstag, 3. Mai 2016

Ist die Kaufprämie für Elektroautos eine gute Idee?



von Raimund Nowak

Das Dilemma der deutschen Elektromobilitätspolitik wurde im April 2016 in zwei Ereignissen deutlich. In Leipzig fand eine Ergebniskonferenz des Programms Schaufenster Elektromobilität statt. Die Erkenntnisse der mit rund 200 Millionen Staatsgeld geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekte fanden nur in einem sehr geringen Umfang das Interesse von Medien und Entscheidungsebenen. Nur ein paar Tage später verkündete die Bundesregierung eine Kaufpreisprämie für Elektroautos. Hier war die Resonanz hoch, aber überwiegend ablehnend.
 
Die Verkehrswende kommt nicht voran. Woran liegt das? Laut Adorno gibt es kein richtiges Leben im falschen. Im Kontext einer verfehlten Verkehrs- und Subventionspolitik kann die isolierte Bewertung der Prämien für den Kauf von Elektroautos leicht kritisiert werden. Allerdings ist die Entscheidung, diese verkaufshemmende Debatte über die Prämien endlich aufzulösen, richtig.

Natürlich wäre es besser gewesen, die Kanzlerin hätte nicht zu einem Auto-, sondern zum Verkehrsgipfel geladen und dann am nächsten Vormittag die große Verkehrswende verkündet. Hat sie nicht und wäre derzeit auch nicht vorstellbar. Bei den großen, finanziell bedeutsamen Entscheidungen, siehe Bundesverkehrswegeplan oder Dieselbesteuerung wird deutlich, wie weit Deutschland von einer nennenswerten Verkehrs-wende entfernt ist. Das wäre ein Grund zur verkehrspolitischen Erregung und nicht die Zahlung von Kaufprämien für Fahrzeuge, die in den Innenstädten keine krebserregenden Stoffe ausstoßen, die Bewohner mit weniger Lärm traktieren und das Potenzial für einen klimaneutralen Betrieb besitzen.

Bei der rund 600 Millionen Euro teuren Entscheidung zur Zahlung der Kaufprämien sind Etatsorgen unangebracht. Was hier in drei Jahren an Prämien gezahlt werden wird, macht ein Zehntel der jährlichen Einnahmeausfälle durch eine niedrigere Besteuerung von Dieselfahrzeugen aus. Deren Wirkung auf das Stadtleben und das Klima kennen wir. Bis zum Jahr 2020 könnte der Staat rund 20 Milliarden Steuern mehr einnehmen, wenn er Diesel wie Benzin besteuern würde. Die Haushaltbelastung durch das Dienstwagenprivileg liegt bei etwa vier Milliarden Euro jährlich. Von diesen Subventionen profitieren am stärksten die Nutzer großer und teurer Fahrzeuge. Bei einer festen Kaufpreisprämie wird das günstigste Fahrzeug am höchsten gefördert. Soziale Gerechtigkeitsaspekte können gegen die Kaufprämie schwer ins Feld geführt werden. Der so häufig erhobene Vorwurf, Elektrofahrzeuge seien Spielzeuge reicher Menschen ist schlichtester Populismus. Ein Besuch bei den häufig veranstalteten „Elektromobilisten-Treffen“ würde reichen, um sich ein Bild von der Realität zu verschaffen.

Natürlich hätte man sich auch andere Ergebnisse von dem nächtlichen Elektromobilitätsgipfel im Kanzleramt vorstellen können. Klug wäre es gewesen, die Aufmerksamkeit nicht nur auf PKW‘s zu richten. Es fehlt ein gut ausgestattetes Förderprogramm für vollelektrische Linienbusse und eine Prämie für den Kauf von elektrischen Lastenfahrrädern. Der Bau von einem Kilometer Radschnellweg kostet ein Bruchteil von dem einer Autobahn. Wer eine Million Elektro-PKW als Ziel setzt, könnte auch 1.000 Kilometer Radschnellwege, 5.000 Elektrobusse und 10.000 eCargo-Bikes sagen. Eine solche Zielsetzung macht nicht nur vermittlungstechnisch Sinn.

Als „Reaktion auf die Missachtung von Grenzwerten“ hätten die Automobilhersteller „motiviert “ werden können, an jedem Autohaus leistungsstarke Stromtankstellen auf eigene Kosten zu errichten; ohnehin müssten die Hersteller ihre Niederlassungen zu Mobilitätszentren umbauen. Die Autobranche könnte ihre Finanzkraft und politische Durchsetzungsfähigkeit dafür nutzen, 400 neue Windkraftanlagen entlang von Fernstraßen aufzubauen. Damit wäre der Strombedarf für eine Million Elektroautos gedeckt, Klimabedenken reduziert und etwas für die Energiewende getan worden. Um die Hersteller zum Bau kostengünstiger Elektroautos zu bewegen, hätten Bund, Länder und Kommunen – auch die gehören auf einen Gipfel – einige Ankündigungen machen können. Die Städte könnten bundesweit 100.000 Stellplätze für Car-Sharing Autos an prominenten Plätzen anbieten, vorausgesetzt die Autos fahren mit Elektromotor und kosten unter 10.000 Euro. Dies wäre bei der benötigten kürzeren Reichweite sicher innerhalb von zwei Jahren darstellbar. Dies würde zudem den Markt im unteren Marktsegment deutlich antreiben. Bund und Land könnten sagen, man wolle ab 2020 Polizei und Notärzte mit Elektromotorrädern ausstatten und den gehobenen Fuhrpark dann nur noch elektrisch betreiben. Dann hätte man verkünden können, dass allen Ladesäulenbetreibern im öffentlichen Raum für 12 Monate die Stromkosten erstattet würden, wenn sie bis zur Jahresmitte 2017 den Strom kostenlos abgeben und am Ende eine kundenfreundliche einheitliche Lösung für den Zugang zu den Ladesäulen geschaffen hätten.

Dies ist nur eine Auswahl möglicher Ergebnisse eines Elektroautogipfels. Wäre es so gekommen, hätte vermutlich niemand mehr nach einer Kaufprämie gefragt. In der aktuellen Lage und angesichts des schwindenden Vertrauens in die Haltbarkeit von politischen Beschlüssen ist der Prämienbeschluss vertretbar. Jetzt herrscht zumindest bis zur Bundestagswahl Klarheit. Hoffentlich gehen die Automobilhersteller mit der Lage klug um und sorgen einmal für eine positive Überraschung. So könnte auch die tatsächliche Zukunftsfähigkeit der Hybridtechnologie überdacht werden.

Die Autobauer haben nun die große Chance der Imagekorrektur. An den Finanzen dürfte es vorerst nicht scheitern – weder bei der Automobilindustrie noch beim Staat. Letzterer braucht Mut, die Finanzströme in der Verkehrspolitik umzulenken sowie eine schnelle Bereitschaft, für E-Busse ein Sonderprogramm auf die Beine zu stellen. Millionen Großstadtlungen werden es ihm danken. Es geht um Alternativen zum Auto, aber auch um alternative Autos. Hier hat das Rennen gerade erst begonnen.

Die deutschen Autobauer wären sicher gut beraten, mehr als 2.000 Euro Rabatt auf Elektroautos zu geben. Noch(!) sind es vergleichsweise kleine Beträge, mit denen man in der Weltliga der Elektroautos oben mitspielen kann. So müsste etwa Volkswagen seine beiden Elektroautos e-up! und e-Golf weltweit bis zu 25% günstiger verkaufen. Technisch gehören beide Modelle zu den Besten, die auf dem Markt sind – merkt nur kaum jemand. Die Entscheidungen, kein elektrisches Lieferfahrzeug zu bauen und sich beim E-Bulli an Studien abzuarbeiten, müssten schnellstens korrigiert werden.

Die Hybridstrategie gehört zumindest hinterfragt, Kaufprämien für Hybride machen gar keinen Sinn. Hier zeigt sich wieviel Einfluss noch die Öl-Riege in den Konzernen und diese auf die Politik haben. Der große Vorteil der Kaufprämie wird sein, dass viel mehr Menschen eigene Erfahrungen mit der Elektromobilität machen. Dabei merken sie dann, dass etwa die von desinteressierten oder schlecht informierten Kreisen geschürten Reichweitenängste oder das Ladesäulendefizit überbetont werden. Die Hersteller sollten den Umstieg auf alternative Antriebe zu einer Politik der neuen Ehrlichkeit nutzen. Es gibt keinen Grund, bei Stromverbrauch und Reichweiten zu tricksen. Die Kunden können ohne teure Messgeräte die Wahrheit feststellen.

Deutschland und die meisten Länder der EU drohen in Produktion alternativer Fahrzeuge und der Umsetzung alternativer Verkehrskonzepte abgehängt zu werden. Elektroautos durch Kaufprämien attraktiver zu machen, ist sicher nur ein kleiner Schritt; in der aktuellen Lage jedoch in die richtige Richtung. Wo genau es bei der Elektromobilität hingeht, ist allerdings weiterhin ungeklärt. Klug wäre es, das Wissen aus den gut geförderten Schaufenster-Projekten und die Erfahrungen der aktiven Elektroautofahrer zu nutzen.

Um Elektromobilität erfahrbar zu machen, veranstaltet das Amt electric der Metropolregion die electric summer lounge. An mehreren Terminen können in entspannter Atmosphäre Informationen gesammelt und Elektrofahrzeuge ausprobiert werden. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen